Facebook und Social Media bieten eine neue Plattform für mehr oder meist weniger gelungene, dafür reich bebilderte Erlebnis-Erziehungsratgeber. Ganz dick im Geschäft die Instamamis und Facebook-Daddys mit ihren täglichen Erfahrungsblogs über die bessere Erziehung und ihre perfekte Welt, in der die Erde tatsächlich nur rund läuft.
Und da sitze ich, am Familientisch, zu früh, zuviel Morgen, mit schwarzem Kaffee, mit meinem Handy. Sonntag. Der Rest der Familie hat sich noch nicht aufgerafft, den Tag der Bequemlichkeit des warmen Bettes vorzuziehen. Der Nachwuchs möchte wegen so überbewerteten Dingen wie Frühstück eher ungern geweckt werden. Die Spülmaschine noch nicht ausgeräumt, ein paar Tassen vom Abendessen stehen herum, Fruchtfliegen lieben die letzte Banane und die Socken am Wäscheständer sind eigentlich seit zwei Tagen trocken. So unfrisiert und mit sabberndem Familienhund am Fuß scrolle ich mich durch den Feed meiner Social Media Kanäle, Post, Post, noch ein Post.
Und genau hier erblicke ich sie: diese perfekt gestylten Mamis und Daddys, am perfekt gedeckten Frühstückstisch mit Ei und Croissant und selbstgemachter Erdbeer-Litschi-Ananas-Marmelade, mit perfekt gekleideten, fleckenlosen Miniausgaben von sich selbst. Als hätte man sie gerade frisch gepresst.
Ich bin überzeugt: die haben sogar schon eine Runde Morgensport hinter sich, während es mich echt Kraft kostet, meine Kaffeetasse zu heben. Unglaublich, aber 100.000 Follower finden diesen ganz privaten Einblick in den gekämmten Alltag ein Herzchen oder Daumen wert! Quasi die Geissens von nebenan. Halt mit Schlauchboot statt mit Yacht, aber mit gleicher Selbstvermarktungsstrategie.
Smile dich in den Best Day mit deiner best family ever. Like.
Und keine Mutter kann mir erzählen, sie werfe nicht einen verstohlenen Blick auf die durchtrainierte Dreifachmami, die angeblich zum Spaß mal kurz mit Kraxe und Co. auf eine Bergspitze klettert, um Best-of-Selfies zu schießen, anschließend selbstgebackenes Brot serviert und die Kinder altersgerecht in drei Sprachen fördert, während sie den zweiten Berg am Tag, den nämlich mit Wäsche, bezwingt. Und mit einem rein weißen Lächeln geht sie Live und erzählt uns, wie wichtig es für die seelische Entwicklung des Nachwuchses ist, dass Influencer-Mami es jeden Tag altersgerecht fördert, ohne sich selbst nur eine Spur zu vernachlässigen.
Ich frage mich: hat ihr Tag 48 Stunden? Sie braucht keinen Schlaf und läuft auf Strom? Oder: es ist einfach nur FAKE. Ein Ausschnitt, der verkaufen will, dass ich ihren ganzen Tag gesehen habe, obwohl das Video nur 2 Minuten Länge hat.
Schütteln wir diese gefilterten Bilder ab: ist man eine schlechtere Mutter, weil man die Kinder nicht mit einem Vitamin-Eiweiß-Gedöns begrüßt, sondern ein Nutella-Glas auf den Tisch stellt mit der Bemerkung, sie wüssten ja wo die Teller zu finden seien. Wenn man kein Lust hat, für den Hausputz eine Eiskugel große Portion Make-Up ins Gesicht zu klatschen, damit man zwischendurch ein Selfie schießen kann? (Ich frage mich sowieso wie das so funktioniert mit Selfiestick in der einen und Klobürste in der anderen Hand. Manche sind da ja besonders begabt.)
Die Antwort ist ganz klar: nein.
Im Gegenteil. Statt Selbstdarstellungs-Egotrip, dessen Aufrechterhaltung doch spürbar viel Energie verbraucht und bei dem die Kinder eigentlich nur „Nebendarsteller“ sind, investieren wir diese lieber in echte gemeinsame Zeit, denn davon hat man nie wirklich genug. Statt Schritt zu halten mit der Schnelllebigkeit der Medienwelt, dem Füttern des alles verschlingenden Feeds, trödeln wir auch mal ohne schlechtes Gewissen durch den Tag, ein wenig ratschen, ein wenig spielen und naschen, zwischen Arbeit und dem Haushalt. Ein wenig mehr das Leben auskosten, ohne das der Rest der Welt dabei zusieht. Ganz ohne Story. Wie beruhigend.