Es gibt ein heikles Thema, das man als Mutter, vor allem als arbeitende, recht erfolgreich verdrängt: Sport. Dieses Wort hört sich schon so verdammt beweglich an, weit mehr als man es fühlt. Die Muskulatur hat sich in den letzten Jahren fühlbar verlagert. Am durchtrainiertesten ist wohl der Zeigefinger. Auch die Stimmbänder sind gut gedehnt. Dank zahlreicher Wäscheberge ist auch bei den Armen noch nicht der Winkestatus eingetreten. Gegen Nachmittag werden dann die Beine etwas schwerer, haben keinen Bock mehr den Körper zu tragen. Ist das ein Wunder? Sie tun es ja schon eine ganze Weile. Der abendliche Fall ins Bett fühlt sich an wie eine Yoga-Übung (Kerze?), das Aufstehen dann eher wie übermäßiges Gewichtheben. Der Fitnessstatus ist also nicht im grünen Bereich.
Und dann kommen die Kinder in das Alter, in dem es eben um dieses Wort SPORT geht. Spätestens in der Grundschule werdet ihr feststellen, dass Hinterherlaufen, Tragen und Schieben nicht mehr ausreichen.
Hat man überhaupt eine Wahl, wenn man Vorbild sein will? So nach dem Motto „Geh doch endlich raus und beweg dich statt vor dem Computer zu sitzen!“ Ich wackele also in den Keller und krame meine Rollerblades heraus. Etwas muffig sind sie schon, aber mit Mitte 40 kaufst dir keine neuen mehr. So ging es mir übrigens auch mit Skifahren, Schlittschuhlaufen, Schlittenfahren, Snakeboarden, Handball … Ich krame also im Keller. Da hängen auch Helme. Keine Chance, dass sich mein Pubertier über das frisch geföhnte Haar eine rosafarbene Plastikschale stülpt. Und ich habe keinen Bock auf Diskussionen. Auch nicht, wenn es um Schützer geht. Bei mir würden sie sowieso nur die halbe Kniescheibe bedecken.
Ich fokussiere mich also darauf, die nächsten 2 Stunden zu überleben. Ich lasse auch den Helm weg, will schließlich nicht wie ein Donut mit Zuckerhaube durch die Stadt gleiten und dabei noch peinlich für den Nachwuchs sein. Wobei gleiten auch wieder besonders optimistisch ist. Der Verschluss klemmt, die Füße wirken etwas platter getreten als früher, insgesamt fühlt sich das Ganze doch eher nach einem engen Korsett an. Ermutigt durch netten Zuspruch (kleiner Erfolg der Erziehung) schwinge ich mich auf, los geht´s! In meiner Erinnerung hat sich das Ganze etwas leichter, beschwingter angefühlt. Ich bin damals nicht über jeden kleinen Kieselstein gestoplert und musste nicht anhalten, um einen Bordstein zu überwinden. Ich habe auch nicht in einer stacheligen Hecke abgebremst. Auch das Tempo wird nun durch ein ungutes Bauchgefühl gedrosselt.
Es dämmert schon im Hinterkopf, dass der Fall nicht mehr ganz so locker- flockig bewältigt werden könnte wie früher. Da waren die Knie etwas aufgeschürft, jetzt rechne ich mir die Kosten für eine neue Hüfte aus. Der wohlwollende, aber auch amüsierte Blick meiner Tochter schweift vorbei. Ich setze auf Ablenkung mit Geschichten von früher. Irgendwie glaubt sie mir nicht, dass ich mit den Dingern hunderte Kilometer bewältigt habe, vorwärts und rückwärts? In diesem Augenblick nehme ich mir vor, die Sache mit Sport ernsthaft anzugehen. Ja, der Ehrgeiz flammt wieder auf. Wenigstens dieser ist geblieben. Doch erstmal brauche ich eine kleine Verschnaufpause, nur kurz durchatmen. Und dann rufe ich meinen Mann an, ob er so nett wäre, mich abzuholen.