Die letzten Monate hatten es in sich: Homeoffice, Homeschooling – oft auf engstem Raum – waren mitunter eine große Herausforderung für die Familien. Dauerte Homeoffice bis in die Nachmittagsstunden, lag die Überlegung doch des Öfteren nahe, dem Fragenkatalog des Nachwuchses durch dezentes Anschalten des Fernsehers entgegenzuwirken. Ja, mag nicht unbedingt immer pädagogisch wertvoll sein. Es interessiert jedoch auch den Chef nicht, sollte die Arbeit nicht erledigt sein, weil man sein Augenmerk auf die zu Hundertprozent intellektuell ausgeklügelte Erziehungsstrategie setzt.

Nachmittags, was kommt das schon großartig „nicht jugendfreies“, das die Kinder nicht sehen dürften. Ich denke zurück an meine Kindheit und an all die Serien, die uns begleitet haben. So unschuldig, so nett wie „Die Waltons“. Gute Nacht, John-Boy, Jim-Bob, gute Nacht Mary Ellen! Eine Großfamilie stellt sich den alltäglichen Herausforderungen. Selbstverständlich kommt es zum kleinen Zwist, zu Streitigkeiten unter Brüdern, mit den Nachbarn, mit dem Lehrer. Doch alles eingebettet in eine romantische Idylle, ganz ohne Schimpfwörter und markiert mit dem Label „Am Ende wird immer alles gut!“. Auch ein bisschen Action durfte nicht fehlen, so zum Beispiel bei MacGyver, der in allen Situationen immer ein Lösung parat hatte. Er wäre in heutigen Zeiten der ungeschlagene DIY-König! Oder auch die harten Jungs vom A-Team, die sich mutig jedem Gegner stellten, an Land, im Wasser und in der Luft – zu damaligen Zeiten sogar etwas schroff, mit Zigarre im Mund (wie verpöhnt das heute wäre), aber unschlagbar cool. Denken wir an den durchtrainierten David Hasselhoff und eine junge Pamela Andérson, der fleischgewordene Traum aller Männer im knappen roten Bikini. Ja, sie rettet alle und sieht dabei auch noch perfekt aus! Wir träumten von den USA, von diesen weißen Stränden in Malibu! Und wenn es dann moderner sein sollte, Computer gesteuert natürlich, stand K.I.T.T. auf Abruf bereit. Ich weiß gar nicht mehr auf welchem der fünf Kanäle, darunter zwei Österreichische, die besten Serien übertragen wurden, aber wir freuten uns, wenn wir ab und an nachmittags die Flimmerkiste anschalten durften!

Nun sitze ich im Homeoffice, schwelge kurz in Erinnerungen, während mein Kind sich gelangweilt durch 40 Kanäle konsumiert und eigentlich viel lieber ein Handy mit freiem Zugang zu TikTok und Youtube hätte. Der neue MacGyver taucht auf dem Bildschirm auf. Hupps, alles explodiert, Körperteile fliegen durch die Gegend. Jede Menge Blut spritzt. Eine detaillierte Tatortbegehung später schaltet mein Kind verwirrt weiter. Blaulicht-Report, Laienschauspieler, die scheinbare Dramen mehr oder weniger professionell nachspielen. Welch Theatralik, es wird geschrien, geweint, bedroht, gerettet, Blut fließt. Vielleicht nicht gerade das Richtige für ein Kind, das gerade an der Schwelle zur Pubertät steht. Außerdem möchte man natürlich auch nicht in Erklärungsnot geraten…

Mittlerweile habe ich, genervt von Blut- und Sperma-TV – wie man es heutzutage nennt, das Zappen übernommen. Eine Wissenssendung, na bitte, da kann man auch noch dazulernen! Praktisch, ganz nach meinem Geschmack! Beruhigt mache ich mich auf den Weg in die Küche, um mir endlich einen Kaffee einzuschenken. Da ruft jemand aus dem Wohnzimmer: „Mama, die haben so große Lutscher! Ich will auch so einen! So schön, in rosa bitte! Aber warum kleben sie sie auf den Arsch?“ Ich brauche kurz, um meine Gedanken zu ordnen. Welche Lutscher werden im Fernsehen beworben? Und da höre ich mein Kind im Wohnzimmer schon fröhlich trällern: „Es rappelt in der Kiste, es rappelt im Karton, tong, tong, tong…“
Ich installiere TikTok, schlimmer kann es ja kaum werden.